Verein für Heimatkunde Merzig e.V.
  

Was ist eigentlich ein Kondominium?

von Stefan Haas

Wer lange genug in der Merziger Vergangenheit stöbert, stößt unweigerlich auf den Begriff „Kondominium.“ Mit dem Ziel, diesen Begriff und seine Umstände für Merzig verständlich zu erläutern, soll dieser Beitrag verstanden werden.

Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht allerdings ein anderer Beitrag – der des Mondorfer Heimatforschers Dr. Anton Jakob, der seine Gedanken seinerzeit als Fachaufsatz publizierte. Er soll, eingerahmt von den aufs nötigste reduzierten historischen Realitäten, so etwas wie einen praktischen Bezug zu Merzig liefern.


Der völkerrechtlichen Definition nach handelte es sich bei dem hier zu besprechenden Gebilde um ein Grenz-Kondominium: Um aus bestimmten Gründen eine „harte“ Grenze zu vermeiden wird das entsprechende Gebiet gemeinschaftlich verwaltet. (Vgl. in Abgrenzung dazu den Begriff des Nachfolge-Kondominiums – solche entstehen als Kompromisslösung bei nicht aufzulösenden Erbschaftsverhältnissen.)

Die Jahreszahl 1368 weist auf ein äußerst frühes Kondominium im mitteleuropäischen Raum hin. Generell ist diese politische Lösung vorwiegend in Europa anzutreffen. Wenige Beispiele in Afrika und Übersee in neuerer Zeit gehen auf europäisches „Gedankengut“ zurück.

Voraussetzung:
  • Zerfall des Frankenreiches (5. – 9. Jhdt.) unter den Nachfolgern Karls des Großen-
      -> West- Ost- und Mittelreich („Lotharii Regnum“)
  • Bischöfe von Trier gewinnen ab dem Frühmittelalter immer mehr an Einfluss: Hoher, sich vermehrender Eigenbesitz führte zu stetiger Selbständigkeit, aus der sich Anrechte auf Landeshoheit und Souveränität entwickelten. 
  • Merzig lag östlich der Saar an der Südgrenze des kurtrierischen Gebietes
  • Der Saargau westlich der Saar gehörte zum Herzogtum Lothringen

Entstehung:

  • Das Kondominium Merzig-Saargau war ein Kompromiss und resultiert aus landespolitischen und blutigen Gegebenheiten, auch rund um die Burg Montclair, im späten Mittelalter an der Schwelle zu Frühen Neuzeit. Die Vereinbarung zum Kondominium im Vertrag von 1368 wurde von folgenden hohen Herren getroffen:

Kurfüst Kuno II. von Falkenstein, 

Erzbischof/Kurfürst von Trier von 1362 bis 1388

Herzog Johann I., 

Herzog von Lothringen von 1346 bis 1390

* um 1320, † am 21.5.1388 auf Burg Baus am Rhein

 

* um 1346, † am 23.9.1390 in Paris

  • Notwendig gewordene Präzisierung der Vereinbarung im Vertrag von 1485 zwischen Erzbischof Johann II. vom Trier und dem lothringischen Herzog Reinhardt II.
  • Vertrag von 1620: Erzbischof Lothar von Metternich und Heinrich II. Lothringen regeln final die An-gelegenheiten um Begnadigungsrechte, das Bergregal und das Recht der Besteuerung.
  • Das Kondominium basierte weniger auf Gesetzen, sondern mehr auf Vergleichsbestimmungen

Im folgen sind fettgedruckt diejenigen Passagen des Aufsatzes, die inhaltlich konkret Bezug nehmen zum Thema Kondominium.

Zur Geschichte des ehemaligen Kondominiums Merzig-Saargau    


Von Dr. Anton Jacob


Eines der seltsamsten politischen Gebilde der unteren Saargegend vor der großen Flurbereinigung Ende des 18. Jahrhunderts war das kurtrierisch-lothringische Kondominium Merzig-Saargau oder wie man es in der heimatkundlichen Literatur auch nennt, das gemeinschaftliche Hochgericht Merzig-Saargau. Dieses kleine Gebiet ist nach der Auflösung der alten Grafschaftsverfassung beim Abschluss der trierisch-lothringischen Vormachtkämpfe im Saar-Moselraum als Ergebnis einer Kompromisslösung übrig geblieben und hat den alten Saargaunamen bis in die neuere Zeit hinübergerettet. Es muss jedoch hier bemerkt werden, dass die Gleichsetzung von Kondominium und Hochgerichtsbezirk nicht genau ist. Kondominium oder Gemeinherrschaft deutet auf den gemeinsamen Besitz der landeshoheitlichen Rechte durch Kurtrier und Lothringen im Gebiete Merzig-Saargau hin, während unter der Bezeichnung „gemeinschaftliches Hochgericht“ die gemeinsame Ausübung der hohen Gerichtsbarkeit (Hals- oder Blutgericht) zu verstehen ist. Auch gehörten, wie wir unten noch näher feststellen werden, nicht alle Orte, die dem Hochgericht unterstanden, zugleich zum politischen Kondominium.
Die Unterscheidung zwischen Gerichtshoheit und Landeshoheit hat sich im westdeutschen Raum erst im späteren Mittelalter herausgebildet. Nicht immer waren Landeshoheit und Blutbann in einer Hand vereinigt. Im Kondominium Merzig-Saargau, das zwei Vogteien vereinigte, die Vogtei Merzig rechts der Saar und die Vogtei Sarckauw (heute Särkof) links des Flusses, hatten die Burgherren von Montclair als Vögte der Erzbischöfe von Trier Anteil an der Hochgerichtsbarkeit, aber nur in den Orten links des Flusses. An der Landeshoheit hatten sie keinen Anteil. Wenn ein Missetäter auf dem Gebiete links der Saar ergriffen wurde, musste er 14 Tage im Turm der lothringischen Siersburg und dann 14 Tage auf Montclair in Untersuchungshaft liegen, ehe er in Merzig vor dem Hochgericht abgeurteilt wurde. Wenn aber die Festnahme auf dem Gebiete rechts der Saar erfolgte, dann hatte er je 14 Tage Unter-suchungshaft auf der Siersburg und auf der kurtrierischen Feste Saarburg abzusitzen, bevor er gerichtet wurde. Erst als im Jahre 1606 das Lehen Montclair von Kurtrier eingezogen wurde, erlosch der Montclairische Anteil am Hochgericht. Auf den Unterschied zwischen Hochgericht und Kondominium weist auch die Zusammensetzung des Hochgerichtes selbst hin. Wenn in Merzig ein armer Sünder abgeurteilt und zur gerichtlichen Exekution auf dem Galgenberg bei Merzig geleitet wurde, dann mussten insgesamt 35 Schöffen mitwirken, 14 aus dem Sarckauw, 7 aus Merzig-Bietzen, 7 aus Mettlach-Keuchingen, 7 aus Besseringen-Dreisbach. Mettlach und Keuchingen gehörten aber nach Ausweis der älteren Steuerlisten erst etwa seit 1600 auch politisch zur Gemeinschaft Merzig-Saargau, Besseringen und Dreisbach waren in Bezug auf die Landeshoheit niemals gemeinherrschaftlich.

Die Landeshoheit umfasste gewisse Steuerrechte, Regalien und Wehrhoheit. Aus den periodischen Veranlagungen zur Landessteuer erfahren wir auch den Umfang des Kondominiums. Denn die dem Hochgericht unterstehenden, aber nicht zum landesherrlichen Kondominium gehörenden Ortschaften werden auf den Steuerlisten von Merzig-Saargau nicht geführt. Einen besonders klaren Überblick über die Verhältnisse im Kondominium gewinnen wir aus den Steuerlisten um 1600. Nachstehend sei deshalb die Veranlagung von 1615, auch als Beitrag zur  Bevölkerungsgeschichte der unteren Saar besonders behandelt. Werden auch nicht die genauen Bevölkerungszahlen angegeben, sondern nur die Haushaltungen (Feuerstellen), so brauchen wir nur den für diese Zeit geltenden Multiplikator: Zahl der Feuerstellen mal 4,7 anzuwenden, haben wir annähernd die Volkszahl. Auf den Listen werden auch die nicht-steuerpflichtigen Haushaltungen, Geistliche, Amtsträger, Hofleute der Grundherren, Hirten und Bettler aufgeführt. Taglöhner und Witwen, ärmere Bauern und Handwerker werden als Halbschatzungspflichtige gezählt.


Veranlagt wurden folgende Orte:



Haushaltungen

Schatzungspflichtige

Ballern

9

5 ½

Recht

3

1

Ruplingen

3

3

Feuchten²

13

9 ½

Hilbringen

28

16 ½

Mondorf

19

10

Silwingen

7

3

Wehingen

13

8

Bethingen

4

2

Büschdorf

7

8

Wellingen

8

4

Büdingen

18

8

Weiler

11

5 ½

Schwemlingen

21

9 ½

Mettlach

11

6 ½

Keuchingen

13

6 ½

Bietzen

23

12

Menningen

10

6

Harlingen

9

5

Bachem

7

5

²Fitten


Insgesamt also wurden gezählt in 20 Ortschaften 237 Haushaltungen, davon 1291/2 schatzungspflichtige. Von den letzteren mussten monatlich 7 albus (Weißpfennige) an Steuern bezahlt werden, wovon Lothringen und Kurtrier je die Hälfte erhielten. Die Veranlagung sollte gelten für . 7 Jahre 10 Monate. Bei Mettlach machte der aufnehmende Beamte die Bemerkung, dass die Einwohner alle arme Taglöhner und ohne Eigentum seien. Einige Orte weisen einen ziemlichen Prozentsatz von Bettlern auf. Die Bevölkerungszahl der einzelnen Dörfer ist sehr gering, sie bleibt 1 meist unter 100.

Nicht aufgezählt werden die Orte Dreisbach, Besseringen und St. Gangolph, weil sie zwar dem Hochgericht Merzig unterstanden, aber nicht dem Kondominium. In Dreisbach und St. Gangolph besaß der Herzog von Lothringen allein die Souveränität, in Besseringen hatte jeder der beiden Fürsten seine Untertanen gesondert; die ,,Forsthuber“, waren trierisch, die ,,Vogteileute“ lothringisch. Der Hauptort des Kondominiums, nämlich Merzig, fehlt gleichfalls auf der Liste und zwar deshalb, weil dieser freie Marktort nach altem verbrieftem Recht nicht zur regelmäßigen Landessteuer herangezogen werden durfte.

Merzig bezahlte alle drei Jahre einen Pauschalbetrag von 35 Goldgulden ohne Rücksicht auf die Zahl der Haushaltungen an beide Landesfürsten. Nach einem Visitationsbericht von 1623 waren in Merzig damals "ganze Ehen“ 208, Witwen 27.
Eine Ursache dafür, dass Merzig so viele Haushaltungen zählte, als die übrigen 20 Ortschaften zusammen, erblicken wir darin, dass in Merzig bedeutend mehr Erwerbsmöglichkeiten bestanden durch seine zahlreichen Handwerksbetriebe und durch die Schifffahrt. Auf den Landorten war der Erwerb gebunden an die zur Verfügung stehende Ackerfläche, die sich in dieser Zeit nicht mehr vermehrte. Die Zahl der Hofstellen – blieb ziemlich konstant und wo solche wirklich geteilt wurden, entstanden Elendsbetriebe. Wer kein Land hatte, war durchweg auf Bettel angewiesen. So können wir auch aus trockenen Steuerlisten manche Rückschlüsse ziehen auf die wirtschaftliche Lage und die soziale Gliederung der Dorfbevölkerung vor dem 30-jährigen Kriege (1616-1648).

Ende:

Ein Kondominium ist immer abhängig von der Verständigung, von maß- und respektvollem Handeln und den Wünschen nach Sicherheit und Ruhe. Es aufrecht zu erhalten im konfliktträchtigen Mittelalter war also problematisch.

Eine treffliche Beschreibung der Umstände gibt Kell in seiner Abhandlung über die Geschichte der Stadt Merzig, die hier wie folgt wiedergegeben wird:


  • Im Rahmen der Beendigung des Polnischen Thronfolgekriegs (Wiener Frieden) wurde dem von Frankreich favorisierten Kandidaten als Ersatz die Herzogtümer Lothringen und Bar zugesprochen. Nach dessen Tod sollten sie an Frankreich fallen.        -->  Es kam zu einem Wechsel zwischen den Vertragspartnern im Kondominium Merzig-Saargau
  • Teilungs- und Austauschvertrag von 1779: Der Saargau ging zum Jahresende 1779 in den französischen Staatsverband über. Im gleichen Jahr wurden dann auch neu neu-gültige Grenzsteine gesetzt.
  • Die somit geschaffene Klarheit wurde als Erleichterung für die Bevölkerung aufgefasst

Fazit:

Das Thema „Kondominium Merzig-Sargau“ ist in der Literatur und damit in den historischen Quellen geprägt von Ausführungen zu rechtlichen Aspekten. Die Juristerei im Sinne der Hochgerichtsbarkeit überstrahlte offenkundig alle weiteren praktischen Belange (Verwaltung) im Sinne eines geregelten Miteinanders.

Literatur:

  • Jacob, Dr. Anton: Zur Geschichte des ehemaligen Kondominiums Merzig-Saargau. In. Zeitschrift für Saarländische Heimatkunde (hrsg.: Historischer Verein für das Saarland e.V.). Band 1. Saarbrücken 1951. S. 55-57.
  • Kell, Johann: Geschichte der Stadt Merzig und des Merziger Landes. Merzig 1958.
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Kondominium (abgerufen am 29.11.2023)