Verein für Heimatkunde Merzig e.V.
  

Gebiets und Verwaltungsreform von 1974 – Das Ende des Amtsbezirks Hilbringen

von Lothar Bauer/Merzig-Silwingen, 31.12.2023

Vor 50 Jahren, am 31. Dezember 1973 um 23:59 Uhr brach die letzte Minute des Amtes Hilbringen an. Gegründet wurde es am 1. September 1814, vor 159 Jahre und 5 Monaten. Nur neun Jahre nach der großen 150-Jahres-Feier und Wappenverleihung im Jahre 1964 war das Ende des Amtes gekommen und das Amtswappen hatte nur sechs Jahre seinen Dienst getan.


Im Jahre 1970 wurde der Grundstein für die kommunale Gebiets- und Verwaltungsreform  auf der Grundlage des Gesetzes zur Vorbereitung der kommunalen Gebiets- und Verwaltungsreform vom 17. Dezember 1970 (Amtsblatt S. 949) gelegt. Ministerpräsident Dr. Franz Josef Röder kündigte 1970 nach den Landtagswahlen in seiner Regierungserklärung von Mitte Juli die Inangriffnahme der Reformen an. Mitte Dezember 1970 verabschiedete der Landtag ein Vorschaltgesetz: Schaffung größerer Planungsräume und leistungsstarker Gemeinden, Verbesserung der Versorgung der Gesellschaft, Erhöhung der Verwaltungs- und Finanzleistung der Gemeinden, Zukunftsfähig-machen der Kommunen, Behebung der Raumnot der Kommunen, Vorantreiben des Ausbaus von Infrastruktur und der Daseinsfürsorge sowie Herstellung von mehr Bürgernähe.

Unter dem saarländischen Innenminister Ludwig Schnur wurde eine aus Ministerialbeamten und Wissenschaftlern bestehende Expertenkommission gebildet. Deren Auftrag war die Ausarbeitung eines Vorschlags zur Neugliederung. Im März 1972 legte diese Beratergruppe schließlich ihren Abschlussbericht vor in  Form des Buches „Die kommunale Neugliederung im Saarland“. Interessant das in diesem Bericht die neue Stadt Merzig noch die Gemeinden Dreisbach und Fremersdorf zu gesprochen bekam, wozu es im Endeffekt aber nicht kam. Später wurden die geplanten Neugliederungen durch verschiedene Gesetze umgesetzt:

 

  • Aus ehemals sieben Landkreisen wurden fünf Landkreise sowie der Stadtverband Saarbrücken neu geschaffen. 
  • Ämter wurden aufgelöst: Von 42 Ämtern sind 32 Ämter in ihrem wesentlichen Umfang neue Einheitsgemeinden geworden oder von diesen aufgenommen worden.
  • Die vor der Gebietsreform bestehenden 345 Gemeinden wurden mit Ausnahme der Städte Saarlouis, Dillingen, Friedrichsthal und Sulzbach/Saar aufgelöst und zu insgesamt 50 Einheitsgemeinden zusammengeschlossen.

 

Schon kurz nach der Vorbereitung der kommunalen Gebiets- und Verwaltungsreform kam es zu den ersten Widerständen im Amt Hilbringen. Die Vorbereitungen für die Gebiets- und Verwaltungsreform wurden schon im Jahre 1970 gelegt. Amtsvorsteher Fixemer wird 1973 in Streitgesprächen, die auch immer wieder Thema von Zeitungsartikeln in der SZ waren, mit MdL Holl aus Fitten der Vorwurf gemacht, das er schon 1970 voreilig vor der Verabschiedung des Vorschaltgesetzes im Dezember 1970, ohne genaues zu wissen, die Gemeinderäte des Amtes Hilbringen zu Beschlüssen zu Gunsten einer Einheitsgemeinde Saargau mit Amtssitz in Hilbringen veranlasste. Bis zum Schluss versuchte man seine Eigenständigkeit zu bewahren, was aber nicht gelang.

Innerhalb der Bevölkerung war man nicht für diese Gebietsreform und das Ende des Amtes Hilbringen. Eine Abstimmung unter der Bevölkerung plädierte mit Mehrheit in allen Gemeinden des Amtsbezirks gegen eine Eingemeindung zu Merzig.
Die kommunale Gebiets- und Verwaltungsreform wurde auf der Grundlage des Gesetzes zur Vorbereitung der kommunalen Gebiets- und Verwaltungsreform vom 17. Dezember 1970 (Amtsblatt S. 949) dennoch durchgeführt. In einem Artikel der SZ vom 17. Dezember 1973 wurde berichtet, dass Hilbringen eine Verfassungsklage anstreben wolle.

 

Kurioses aus vorigen Gemeinderatssitzungen

In den Gemeinderatssitzungen der einzelnen Gemeinden des Amtsbezirkes Hilbringen war natürlich auch die Gebietsrefom immer wieder Thema. Man befürworte eine Großgemeinde Saargau mit Sitz in Hilbringen. Nachdem aber aus Saarbrücken verlautet wurde, dass man dem abgeneigt war, kamen auch andere Vorschläge auf den Tisch.

 

  • Der Plan der Schwemlinger CDU-Abgeordneten: Eine Gemeinde Saargau ohne Hilbringen, Ballern und Mechern und mit Schwemlingen als Amtssitz. 
  • Ein Vorschlag in der Gemeinderatssitzung in Mondorf mit einem neuen Model: Hilbringen, Ballern und Fitten bleiben bei Merzig. Die Restgemeinden sollen eine Einheitsgemeinde mit Amtssitz Schwemlingen bilden. 
  • Eine Alternative von Bürgermeister Kuhn/Schwemlingen: Alle Orte des Amtsbezirks Hilbringen ohne Hilbringen, Ballern und Mechern. aber mit den Gemeinden Dreisbach, Nohn und Büschdorf zur Gemeinde Saargau.

 

„Gebietsreform nahm letzte Hürde“ – „Opposition stimmte gegen Neugliederungsgesetz“ 

so die Überschrift in der SZ vom 20 Dezember 1973.

 

Laut SPD gab es eine Option die Röder seiner Regierungserklärung vom Juli 1970 vorstellte, nämlich in dem er grundsätzlich die Schaffung von wenigen Großkreisen für möglich hielt. Das war ein Regionalkonzept von drei Kreisregionen: Großstadt Saarbrücken, Ost- und Westkreis. Schon im Juli 1970 las man in der SZ darüber. Daraus resultierte dann auch die Vereinigung „MZG muss bleiben“ die gegen eine Auflösung des Kreises Merzig-Wadern war, der damals nach den Plänen der CDU-Landesregierung einer Gebiets-und Verwaltungsreform zum Opfer fallen sollte.
Mit-Initiator der Aktion „MZG muss bleiben“ für die Erhaltung des Kreises Merzig-Wadern war unter anderem der Merziger Alfred Diwersi. In einem Bericht der Saarbrücker Zeitung im Januar 1974, der die Neugliederung der neuen Gemeinden innerhalb des Kreises Merzig-Wadern  auflistete, wird berichtet, dass die Neugliederung im Raum Merzig bis zum Schluss umstritten und sehr schwierig war.

 

Bis zum Jahresende war weder den Bediensteten der Amtsverwaltung Hilbringen oder des Amtes Merzig genau bekannt, ob und zu welchen Tätigkeiten sie sich am Morgen des 2. Januar 1974 an ihren alten Schreibtisch einzufinden hätten. Nur Amtsvorsteher Fixemer hatte hier ein Schreiben der Regierung in der Hand, in welchem ihm die Beendigung seiner dienstlichen Tätigkeit mit Ablauf des Jahres 1973 mitgeteilt wurde. Keine Weisung, wie es in ihren Behördenstellen sein sollte, war dabei. Auch aus der neuen Kreisstadt Merzig wurde dazu nichts verlautet. Und auch keinem Bürger war offiziell mitgeteilt worden, wo er sich bei Behördengängen, z.B. Geburten und Sterbefällen, hinzuwenden hatte. Es hieß nur das Amt Hilbringen würde zum Jahresende aufgelöst.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die bisherigen Gemeindeverwaltungen, insbesondere die Amtsverwaltungen,  ihre Arbeit doch nicht zum 2. Januar 1974 einstellten, sondern vielmehr so lange weiter arbeiten bis die neuen Verwaltungen funktionsbereit waren. Das galt besonders für die neue Stadt Merzig, wie die SZ berichtet. Wobei es einige Besonderheiten gab, z.b. dass das Standesamt Hilbringen weiter für die ehemaligen Gemeinden des Amtes Hilbringen zuständig blieb bis die Fusion der Standesämter Hilbringen und Merzig-Land mit dem Standesamt Merzig erfolgt war.

Wen wundert es, dass auch heute noch das Gerücht umgeht - ich habe es von einigen Bürgern mitgeteilt bekommen - dass aus Frust wegen der Auflösung des Amtes Hilbringen einiges an Akten vernichtet wurde.
Erwähnung finden sollte auch - vor allem weil auch heute noch kritisiert wird - dass auf den Dörfern der Peripherie die Baulandgestaltung schon immer vernachlässigt wurde. Interessant ist hier z.B. die Erwähnung von Amtsvorsteher Fixemer in einer Sitzung von 1973, dass schon jetzt die Baulanderschließung durch die Regierung gesperrt werde, so das die Jugend aus den Orten abwandere. Für viele ist dies auch heute noch mit ein Grund für die schwindenden Einwohnerzahlen der kleinen Dörfer. Auch wird erwähnt, dass in Hilbringen die Genehmigung zu einem Einkaufszentrum mit einer Fläche von 11.000 qm von der Landesregierung verweigert wurde.


Infotafel, die seinerzeit im Amt Hilbringen gehangen hat (eingesendet von Michael Jung/Weiler) - Klick zum Vergrößern


Quellen:

  • Zeitzeugenberichte
  • Die kommunale Neugliederung im Saarland, Schlussbericht der Arbeitsgruppe für die kommunale Gebiets- und die Verwaltungsreform im Saarland 1972
  • Merziger Volkszeitung, Saarbrücker Zeitung, Amtblätter der Gemeinden und des Saarlandes, Zeitzeugen
  • https://www.amtsblatt.uni-saarland.de/hefte/1973/1973-048.pdf
  • https://www.saarland.de/mibs/DE/portale/kommunales/_documents/Kommunale_Angelegenheiten.html