Vergessenes am Kreuzberg – Wege und Pfade, eine alte Treppe und das Denkmal für Johann Bock
von Lothar Bauer – Verein für Heimatkunde Merzig e.V.
28. August 2022
Über den Dächern von Merzig, rund um den Kreuzberg, findet sich so manches Überbleibsel des alten Merzig, wenn man nur gut genug danach sucht. Denn die Natur hat sich vieles zurückerobert. Lothar Bauer vom Verein für Heimatkunde Merzig e.V. ist auf Spurensuche gegangen und wurde fündig. Nicht mehr vielen Merzigern, insbesondere unter den jüngeren Jahrgängen, sind die „Blätsch“ (auch: Bletsch), das „ Zappenpädchen“ und die „Servituttreppe“ noch ein Begriff – und auch diejenigen, die mal davon gehört haben, dürfte das Johann-Bock-Denkmal an ebenjener Treppe vermutlich unbekannt sein.
Wenn man aber nachforscht und auch Stimmen von Menschen, die darüber erzählen können, hört, sollten diese Dinge nicht ganz aus dem Gedächtnis der Merziger verschwinden und damit auch einem Nichtbenutzen oder gar weiterer Beschädigung anheimfallen. In der Vergangenheit wurden bereits Initiativen und Aktionen ins Leben gerufen, um die Besonderheiten des Kreuzberges zu erhalten, leider meist ohne Erfolg. Doch jedes Mal wurde dadurch die Erinnerung daran wieder geweckt und sei es nur für kurze Zeit.
Die Blätsch
Die Blätsch erstreckt sich von der heutigen Fellenbergstraße ausgehend bis zum Ende der Kreuzbergstraße am Fuße des Kreuzberges. Hinter dem ehemaligen Kaisergarten vorbei, am jüdischen Friedhof entlang bis zu seiner jetzigen Einmündung am Ende der Kreuzbergstraße Anfang Fabrikstraße. Früher ging der Pfad noch weiter bis nach Brotdorf und auf alten Karten ist für den dortigen Teil der Name „Brotdorferpfad“ zu erkennen. In früheren Zeiten war diese Fußweg eine geschäftige Verbindung zwischen der Stadt Merzig und seinem heutigen Stadtteil.
In Merzig sind keltische und römische nachgewiesen und ebenjene Römer praktizierten bereits vor 2000 Jahren den Weinanbau. Nicht ausgeschlossen, dass die Blätsch damals schon von den Arbeitern und Besitzer der Weinberge als Weg benutzt wurde. Eine gewisse Kontinuität von Straßen und Wegen ist auch in unserer Region gegeben. Heutige Straßen führen teilweise noch immer über alte Römerwege und vielleicht sogar über Wege, die noch älter sind. Die Blätsch hat als Fußweg im Laufe der Zeit, ausgehend von der ersten Darstellung auf Karten, ihre Lage nicht wesentlich verändert. Schon immer wurde er als Abkürzung benutzt, sei es, um zur Schule oder zum Arbeitsplatz zu gelangen - oder als Zugang in den Weinberg, was der wahrscheinliche Ursprung sein dürfte. Seit jeher wurde der Bereich der Blätsch von Kindern zum Spielen benutzt, doch durch die zunehmende Einzäunung ist dies immer weniger der Fall.
Ein interessanter Weg ist es allemal, der viele, mal mehr und mal weniger versteckt, Zuwege vom Stadtzentrum hat - manche für Ortsfremde und viele Einheimische nicht direkt als solche zu erkennen. Eine Beschilderung gibt es nicht. Dabei böte die Blätsch vor allem im Sommer an vielen Stellen schattige Kühle, was die Passage zwischen Trierer Straße und dem Freibad Heilborn deutlich angenehmer macht als entlang der aufgeheizten Asphaltstraßen. Mir ist bei meinem letzten Spaziergang über die Blätsch jedoch niemand begegnet – so ist es wohl auch ein Ort der Einsamkeit und der Ruhe, nur wenige Meter vom geschäftlichen Trubel der Poststraße entfernt.
Das Zappenpädchen
Wie alt das sogenannte Zappenpädchen ist kann man nicht mit Gewissheit sagen - und ob es in seinem Ursprung schon über Steintreppen verfügte auch nicht. Möglicherweise ist es ein sehr alter Pfad, der schon sehr früh von Menschen benutzt wurde. Beginnen wir mit dem Versuch einer Namenserklärung. Von der Kreuzbergstraße aus geht eine kleine Straße namens „Zum Zappenberg“ hinauf zur Blätsch. Der Bau dieser Straße und ihre Benennung fand jedoch erst nach dem zweiten Weltkrieg statt. Sie könnte aber Aufschluss auf eine Distriktbezeichung „Zappenberg“ innerhalb des Kreuzberges gegen. Auf alten Karten konnte aber nichts Entsprechendes gefunden werden. Das Pädchen könnte dann zum „Zappenberg“ oder hindurchgeführt haben. Die Ableitung des Wortes Zappen könnte aus der Rotwelschen Gaunersprache kommen. Aus dem Wort „zofon“ lässt sich „zappenduster“ ableiten, was soviel heißt wie Mitternacht. Der „Zappenberg“ wäre also ein Berg dunkel wie Mitternacht. Natürlich könnte auch das Pädchen dem Berg seinen Namen gegeben haben. Der Berg zu dem das dunkle Pädchen, das Zappenpädchen führt.
Das Pädchen oder „Pedchien“, wie wir Silwinger sagen, zweigt in Höhe der Fellenbergmühle, hinter der Kreuzbergschule, von der Blätsch ab und führt etwa 300m steil den Berg hinauf. Ein Teil des Weges ist mit Sandsteinstufen ausgelegt. Auf der linken Seite führen etliche Treppen in die früheren Weinberge hinein. Durch das meist dichte Gebüsch sind dort sogar einige der alten Wingertmauern zu erkennen. Man sollte diesen Weg nicht unbedingt bei Nässe benutzen und sich der Steigung vorher bewusst sein. An manchen Stellen kann man rechtsseitig, durch das Geäst der Bäume, einen kurzen Blick auf die Stadt im Saartal werfen. Das Zappenpädchen hat sicher in der Vergangenheit als Abkürzung den Berg hinauf gedient. Wie oft das Zappenpädchen heute noch genutzt wird ist mir nicht bekannt. Es sollte aber erhalten bleiben, um diese sehr lange Tradition aufrecht zu erhalten und einen interessanten, wenn auch mühsamen Weg zum Gipfel des Kreuzberges zu bieten, um die dortigen Sehenswürdigkeiten zu erreichen, wie zum Beispiel die 1858 erbaute Kreuzberg Kapelle, den Garten der Sinne oder den um 1730 vom Kurfürsten erbauten Ellerhof, der damals als Jagdhaus genutzt wurde und heute ein Restaurant beherbergt.
Die Servituttreppe
Während Blätsch und Zappenpädchen noch einigermaßen gut zu finden sind, so ist dies bei der sogenannten Servituttreppe deutlich schwieriger. Sie beginnt rechts neben dem jüdischen Friedhof hinter einer verschlossenen Eisentür. Zunächst ein schmaler Weg mündet dieser nach einigen Metern in einer steilen Treppe. Für diese Treppe gibt es altes Nutzungsrecht bzw. Wegerecht, denn sie führt über verschiedene Grundstücke. Insgesamt 365 Stufen sind zu überwinden, um die Kreuzbergkapelle zu erreichen. Dies war sicherlich auch der Hintergrund für den Bau der Treppe, welche die kürzestes und direkteste Verbindung zwischen Stadtkern und Kapelle ist.
Hinter dem jüdischen Friedhof führt die Treppe ohne Abgrenzung oder Gelände steil den Berg hinauf. Allzu breit sind die Stufen nicht. Die Treppe habe ich bei meiner Suche schnell gefunden, sowie ich mich durch das Dornengebüsch gekämpft hatte. Der steinerne Aufstieg kann als mehr oder weniger zugewachsen beschrieben werden. Ich habe mir nur den unteren Bereich angesucht, doch man kann davon ausgesehen, dass noch alle Stufen erhalten sind. Im Laufe der Jahre gab es immer wieder Maßnahmen, die die Treppe vom Bewuchs befreiten und auch zugänglich hielten. Der Merziger Bürgermeister Caspar (1954-1974) erwähnte, dass das Denkmal während seiner Amtszeit gepflegt wurde. Wann genau das war ist unklar.
In den 1980er/1990er Jahren soll es eine ABM-Maßnahme gegeben haben, während dieser die Treppe wieder restauriert und zugänglich gemacht wurde. Doch mit der Wiederbelebung des Weinberges und der damit verbundenen Umgestaltung der Terrasse vor der Kreuzbergkapelle wurde die Treppe wieder ruiniert und in der Folge gesperrt. Im oberen Bereich, knapp unterhalb des Weinberges, ist leider auch keine Treppe mehr zu erkennen, obwohl sie einst bis zur Kapelle führte. In einem SZ-Bericht aus dem Jahr 2004 kündigte der Winzerverein an, sich um die Treppe und das dortige Denkmal kümmern. Stand heute ist die Servituttreppe so gut wie unzugänglich. Der untere Eingang ist wieder verschlossen, so dass man nur hinter dem jüdischen Friedhof dorthin gelangen kann, was wegen des starken Bewuchses nicht so einfach ist.
Das Bock-Denkmal
Im Verlauf der Treppe, etwas oberhalb des Friedhofes, findet sich ein 1863 errichtetes Denkmal, das im Gedenken an Johann Bock errichtet wurde. Er hatte an dieser Stelle einen tödlichen Unfall. Schon 1912/13 ließ das Ehepaar Pathen das Denkmal erneuern, wie einer heute verschwundenen Tafel am Denkmal einst zu entnehmen war. 1938, bei der Schändung des jüdischen Friedhofes in der NS-Zeit, wurde das Denkmal für ein weiteres Grab gehalten und teilweise zerstört. Eine verschwundene Stele soll ich unterhalb Richtung des Friedhofes befinden. Das Denkmal wurde bei allen Maßnahmen an der Servituttreppe auch mit einbezogen, was aber keine Restaurierung bedeutete, sondern sich lediglich auf die Entfernung des Bewuchses bezog. Heute ist das Denkmal, oder das was davon übrig ist, genauso schwer zu erreichen wie die Treppe selbst und es zu finden kostete mich einige Mühe. Aber schließlich habe ich es doch geschafft. Es ist heute sehr zugewachsen, hier hilft nur entsprechendes Gerät. Damit sollte jedoch nicht lange gewartet werden, denn der Bewuchs setzt dem Sandstein so weit zu, dass der Verfall der Denkmals in naher Zukunft zu befürchten ist.
Schon 2009 wies der damalige Ortsvorsteher Manfred Klein in der SZ auf den Zustand des Weges "Auf der Blätsch“ hin. Seinen damaligen Angaben zufolge nutzten noch vor 30 Jahren, also um 1980, auch Schüler und Lehrer des Stefansberg-Gymnasiums als Schulweg. Damals wollte man, dass dieses wunderbare "Naherholungsgebiet im Herzen unserer Stadt" erhalten wird und durch eine umfangreiche Sanierung eine Aufwertung erfährt und in ein „Naherholungsgebiet Historischer Kreuzberg", integriert wird, welches laut Klein das Naturbad Heilborn mit seinen römischen Funden, den jüdischen Friedhof, das alte Bockdenkmal, den Weinberg, die Kreuzbergkapelle, den Garten der Sinne, den Ellerhof und dem Wolfswanderweg umfassen sollte. Leider wurde der untere Teil des Kreuzberges damals scheinbar vergessen.
Und es gibt noch mehr zu entdecken auf dem Kreuzberg. Unzählige alte Weinbergmauern, die unter dichtem Gestrüpp verschwunden sind, Fundamente von kleinen Hütten und andere mögliche Relikte des Weinbaues am Kreuzberg, die Überreste der Bungerte und vieles mehr versteckt sich heute unter Brombeerhecken und Gestrüpp. Auch der Zweite Weltkrieg hinterließ am Kreuzberg seine Spuren, denn es finden sich neben Schützengräben und Bombentrichtern auch ein gutes Dutzend Bunker des Westwalls an den Hängen des Kreuzbergs. All dies könnte, zusammen mit dem jüdischen Friedhof, in ein Aufwertungskonzept eingebunden werden. In den sozialen Netzwerken, z.B. der Facebook-Gruppe „Merzig gestern und heute“, deren Nutzer viele Informationen zum Kreuzberg geliefert hatten, ist jedenfalls ein Interesse zu erkennen, weshalb eine genauere historische Aufarbeitung dieser Objekte und der Gegend Gegenstand eines weiteren Artikels sein wird.